8. Mai 2010

Krise Spanien und der Wein

Die Zeichen mehren sich, dass nicht nur für Spaniens Winzer sehr harte Zeiten in Weinbau und Export anbrechen. Wer jetzt glaubt dieser Umstand wäre auschließlich auf die Finanzkrise zurückzuführen, befindet sich auf dem Holzweg. Der Weinbau in Spanien steht hier stellvertretend für einen deutlichen Strukturwandel innerhalb unserer Gesellschaft. Die aufkommende Krise war lediglich der Auslöser, welcher schon im Vorfeld das Fass zum endgültigen Überlaufen brachte. Als anschauliche Parallele dazu kann man die (bewußte?) Mißachtung aller deutlich mahnenden Vorzeichen, die auf ein Einbrechen des spanischen Immobilienmarktes hingewiesen haben ansehen. Diese hatten einen wesentlich länger sichtbaren und deutlichen Vorlauf, welcher von den Verantwortlichen niemand wahrhaben wollte. Fakt ist, dass wie in allen Bereichen der Gesellschaft, sich epidemieartig ausbreitender Lobbyismus, sowie die Unfähigkeit korrupter Politiker, Bankmanager und ihrer grauen Eminenzen im Hintergrund, den Löwenanteil der Auswirkungen solcher Ereignisse ursächlich zu verantworten haben. Das deutlichste Beispiel dafür ist gerade in Griechenland zu sehen.

Natürlich verschont die starke Konkurrenz aus Nord- und Südamerika, Australien und wahrscheinlich in naher Zukunft auch aus China, die uns für Weinbau gut bekannten europäischen Nationen wie Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien längerfristig nicht. Zunehmender Druck kommt aus weiteren, osteuropäischen und einigen vorderasiatischen Ländern, weil dort inzwischen ebenfalls vermehrt mit dem Export von Weinen und Weingetränken begonnen worden ist. Weltweite Klimaveränderungen und damit verbundene Nachwirkungen in lokalen Klimazonen vieler Länder deuten auf Tendenzen hin, welche die Landwirtschaft global betreffen. Das europäische Kontinentalklima scheint sich in seinem Gefüge gerade in nördliche Richtung zu verlagern, wie neuere Gebiete für Weinbau in den Niederlanden, in Dänemark und die Planung von weiteren Projekten in diesen Breitengraden bereits anzeigen. Trotz aller deutlichen Signale in diese Richtung sollte der Tatsache, dass unsere Gesellschaft sich in ihren Grundsätzen und weltanschaulichen Aspekten zu wandeln beginnt, besondere Aufmerksamkeit entgegen gebracht werden. 

Spanien wurde 1986 Mitglied in der europäischen Gemeinschaft. Die Zeichen für die folgenden Jahre standen unter guten Vorzeichen, wenn man mit dem richtigen Ausbau, von Infrastruktur in den Bereichen der Bildung, des Gesundheitswesens und der Industrialisierung begonnen hätte, als vergleichbare Länder. Der ständig steigende Tourismus ab Mitte der siebziger Jahre schuf weitere, positive Voraussetzungen für die Exporte von Industriegütern aller Art, wie auch für die Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte. Förderlich war außerdem, dass Umweltauflagen kaum Bestand hatten, und selbst grobe Verstöße dagegen nur in den seltensten Fällen überhaupt strafrechtlich verfolgt wurden. Hinzu kam die allen Spaniern eigene Mentalität, die der Außenstehende heute noch gerne mit dem Begriff des 'Si, si hasta manana', ja, hat alles Zeit bis morgen, für sich selbst verstanden wissen will. Anfang der neunziger Jahre machten sich in Teilbereichen der spanischen Gesellschaft die ersten Anzeichen des rücksichtslosen Raubbaus an Natur und Umwelt sichtbar. Die ständige, ungebremste Expansion kostete erste Zugeständnisse, in Form von schmerzhaften Arbeitsplatzverlusten, zunehmenden Verkehrsproblemen in Großstädten, verbunden mit steigenden Preisen und höheren Kosten für Lebenshaltung. Als weiteres Manko offenbarte sich die Abhängigkeit der spanischen Peseta vom amerikanischen Dollar und die Angewohnheit vieler Spanier fast jede Neuanschaffung für den persönlichen Bedarf, sei es PKW, Wohnzimmermöbel oder die neue Kücheneinrichtung, über entsprechend teuere Kredite durch Banken finanzieren zu lassen. 

Seit der Vollmitgliedschaft Spaniens in der europäischen Gemeinschaft 1993 und dem späteren Beitritt zur Gemeinschafswährung des Euro im Januar 1999 wurden die Bedingungen für Spanien allgemein wieder etwas günstiger, da man gleichzeitig in den Genuss großzügig bemessener und zinsgünstiger EU Subventionen kam. Ein leichter Aufschwung begann, der für viele landwirtschaftliche Betriebe, Weinbauer und Genossenschaften, die Basis eines langfristigen und soliden Wirtschaftens bilden sollte. Leider fehlte in vielen Fällen die Bereitschaft für verantwortungsvolles Handeln bzw. der gesunde Menschenverstand im Umgang mit der Natur. Die Motivation derer, die über zusätzliche Barmittel verfügten, war meist nur von finanzieller Gier geprägt. Aus den Jahren vor dem Beitritt zur Eurozone, gab es noch genügend Handlungsbedarf, bereits begonnene Projekte weiter zu entwickeln, bzw. endgültig fertig zu stellen. Dadurch hätten sich viele Weichen noch in die richtige Richtung stellen lassen. Nun rächten sich schon frühzeitig erste Fehler, welche in jüngster Vergangenheit begangen worden waren. Es sollte alles unverzüglich und um den Preis des schnellen Erfolgs abgeschlossen werden. Die Brechstange ist leider in den seltensten Fällen das richtige Werkzeug, begannene Versäumnisse umsichtig und naturverträglich aufarbeiten zu können.



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Das Thema Wasser spielt bekanntlich in der Landwirtschaft eine zentrale Rolle, in einem Agrarland wie Spanien um so mehr. Da aber jede neu gebaute Urbanization (Siedlung) für Ferienhäuser und Wohnungen, nicht nur mit der Möglichkeit einer Mitgliedschaft in einem Golfclub ausgesattet werden sollte, sondern auch mindestens jeder zweite Ferienhausbesitzer seinen eigenen Swimmimg-Pool im Garten haben sollte, waren die Grenzen des wirklich tragbaren um so schneller erreicht. Nur ein trockener Sommer war ausreichend, damit sich erste Siedlungsprojekte nicht mehr gewinnbringend verkaufen ließen, die Investoren ihre Einlagen und dringend erwartete Gewinne abschreiben durften. Viele Milliarden sind Anfang des 21. Jahrhunderts in Spanien so verbraten worden, einschließlich der Förderungen durch reichliche EU-Subventionen. Meistens wurde mit den Zuschüssen für Staßenbau, lediglich neues Gelände für den Bau von Privathäusern und Eigentumswohnungen erschlossen. Wenn man sich ausrechnet, dass ein Golfplatz, dem täglichen Wasserverbrauch einer Wohnsiedlung mit 25.000 bis 30.000 Einwohner entspricht, wird schnell klar, wie groß die Problematik in Wirklichkeit ist. Die in diesem Zusammenhang fälligen Kosten für Energie, Abwasserentsorgung und Müllabfuhr, haben wir in der Kalkulation noch gar nicht berücksichtigt. Ebensowenig die Kosten von Neubau und Unterhalt weiterer Sportanlagen wie Fußball-, Tennisplätze und ähnlichem. Der Ferientourist muß sich ja in der spanischen Mittagshitze so richtig sportlich betätigen können, bevor er wegen plötzlicher Schweißausbrüche und Hyperventilation fast zusammen bricht. Spanier halten in der Mittagshitze ihre Siesta, wann immer es ihnen möglich ist. Es würde ihnen nicht einmal im Traum einfallen, ausgerechnet zur Zeit der höchsten Tagestemperaturen Tennis oder Fußball spielen zu gehen!

Aus den oben beschriebenen Punkten läßt sich nur noch eine Schlußfolgerung ziehen! Diese Wirtschaftskrise hat Ausmaße angenommen, die jedes Vorstellungsvermögen gründlich übersteigen. Je nach Situation, innerhalb der Mitgliedsländer unserer europäischen Gemeinschaft, werden wir durch die Krise schwerpunktmäßig mit den unterschiedlichsten Problemen konfrontiert. Alle Mitglieder dieser Gemeinschaft sind gefragt, jeweils ihren Teil zur Bewältigung der Probleme, und zur weiteren Erhaltung von Natur und Umwelt für unsere Nachkommen beizutragen. Durch das Debakel Griechenlands ist andererseits auch wieder ein großes Betätigungsfeld für oberschlaue Ausreden bereitet worden, warum man gewisse Dinge nicht in Angriff nehmen könne oder angeblich aus Geldmangel nicht voran bringen kann. Jeder Mensch der gelernt hat übergeordnete Zusammenhänge zu erkennen weiß natürlich, dass solche Behauptungen ein ausgemachter Quatsch sind, die nur wieder vom wirklichen Ziel ablenken sollen. Es sind inzwischen genügend Ideen und Denkansätze in die richtige Richtung vorhanden, die rein nationalistischen Betrachtungsweisen nur wenig Spielraum einräumen. Unsere Politiker aber glauben scheinbar nach wie vor, dass wir als Wähler genau so dumm sind wie die Rechenprogramme, von denen sie sich ihre Beliebtheitsgrade und Wahlprognosen ausrechnen lassen.  

Die Natur braucht uns nicht! Dafür gibt es genügend gerade aktuelle Beispiele. Wenn wir uns aber weiterhin willenlos regieren lassen wollen, werden wir den Teufelskreis aus reinen Geldinteressen, Korruption und Erhaltung alter Machtstrukturen in Politik und Wirtschaft niemals durchbrechen können. Diese Krise hat zehntausende Menschen um ihr verdientes Hab und Gut gebracht. Ein paar hundert andere sind trotz der Krise im Jahr 2009 Millionäre oder gar Milliardäre geworden. Wir aber wählen unsere Politiker! Deren Aufgabe ist es gefälligst, mittels einer entsprechenden Gesetzgebung auch für die Stabilität des Euro zu sorgen. Die Gehälter dieser feinen Herrschaften finanzieren sich aus den Steuern, die wir bezahlen! Wir sagen ihnen, welche Richtung Europa und Deutschland gehen werden. Die alte Ausrede: "man kann als Einzelperson sowieso nichts ausrichten", hat ihre Hochzeiten bereits lange hinter sich. Wenn wir nichts machen, dann machen das die anderen, aber sie handeln ausschließlich zugunsten ihrer eigenen Interessen und höchst selten auch in unserem Sinne. Es ist nicht nur - denen ihre Welt. Es ist ist in erster Linie einmal unsere Welt!

Vulkanausbruch Eyjafjallajokull 
mit freundlicher Genehmigung 
von Agnar Daníelsson/Reykjavik

Fortsetzung folgt.
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2 Kommentare:

Weinhandel München, Vinos de Penedès hat gesagt…

Dazu noch ein paar Bemerkungen von Margit Kunzke, die ab 1986 bis heute als freie Journalistin und Buchautorin in Spanien lebt. Sie hat uns den Text als Mail zukommen lassen, da wir mit der Kommentarfunktion bis gestern noch Schwierigkeiten hatten. Es folgen 2 Kommentare von Frau Kunzke


Als Spanien sich 1986 der EU anschloss, waren die Bedingungen in Spanien keineswegs ideal. Bis in die frühen 1990er Jahre herrschte in Spanien eine Arbeitslosigkeit von rund 22%. Es gab weder Infrastruktur, noch eine nennenswerte industrielle Struktur, kein Bildungswesen oder Ansätze eines Gesundheitswesens. Spanien war damals noch ein bettelarmes Land. Die Bevölkerung nach fast 40 Jahren repressiver Diktatur eher apathisch und ganz und gar nicht demokratisch. Ungefähr 30% der Bevölkerung, vor allem der Älteren über 60 Jahre waren praktisch Analphabeten. Doch weder die Spanier und der spanische Staat nutzten die Chance für einen gedeihlichen Neuanfang.


Keine der demokratischen Regierungen seit 1979 schaffte es, eine solide Industrialisierung in Gang zu setzen. Alle setzten einseitig auf die Bauwirtschaft und den Tourismus. Die damals wie heute so wichtige Landwirtschaft wurde von allen Politikern sträflich vernachlässigt, so dass große Landstriche heute brach liegen, weil die Bauern nicht mehr von ihrem Einkommen leben können. Auch nicht mit EU-Subventionen. Keine Regierung hat es in den vergangenen 25 Jahren geschafft, das ruinöse Unwesen von Vermittlern zwischen Erzeuger und Konsument abzubauen. Zwischen dem Bauern und dem Verbraucher mischen mindestens zwei, drei oder mehr Zwischenhändler mit, die nichts anderes tun, als das Produkt unnötig zu verteuern, weil sie horrende Kommissionen verlangen und auch einstreichen. 62% der arbeitenden Spanier verdienen netto 1.000 Euro oder weniger im Monat. Spanien hat mit die längste Realarbeitszeit in Europa bei der geringsten Effektivität.


Im Jahr 2010 leben rund 24% der Spanier unter der Armutsgrenze. Bei den über 65-Jährigen sind es sogar 28%. Tendenz steigend. In der EU gibt es nur in Litauen noch mehr Arme. Das Bildungswesen ist kaum besser als 1986, auch wenn es mehr Schulgebäude gibt und mehr Kinder in die Schule gehen. Das Niveau des Unterrichts ist katastrophal. Die Zahl der Schulabgänger ohne jeden Abschluss liegt in Spanien bei rund 30%. Die UNICEF setzte Spanien in Sachen Bildungswesen unter den 21 am meisten industrialisierten OECD Ländern nur auf Platz 15.


Durch den stetig anwachsenden Nationalismus der Katalanen, Valencianer, Galicier, Basken, etc. wird in diesen Regionen mehr Wert darauf gelegt, dass die Schüler die jeweilige Regionalsprache lernen, als dass sie ein korrektes Spanisch (castellano) oder gar Fremdsprachen wie Englisch, Französisch, etc. lernen. Die jeweiligen Landesväter legen wiederum mehr Wert auf protzige aber sinnlose Prestigeobjekte wie eine Formel 1 Rennstrecke oder sündhaft teure Bauten eines berühmten Architekten, als auf die Verbesserung und Ausbau des Bildungs- oder Gesundheitssystems. Die Ausgaben für solche nutzlosen Prestigeobjekte übertreffen die Ausgaben für Bildung, Gesundheit, etc. um ein Vielfaches.


In das Gesundheitswesen, das zum großen Teil Ländersache in Spanien ist, wird zwar viel investiert, aber wenig getan. Die Kranken müssen monatelange Wartezeiten für einen Termin mit einem Facharzt in Kauf nehmen, und oft jahrelange auf eine Operation warten. Rehabilitation oder Nachsorge kennt man praktisch nicht. Ein Besuch beim Zahnarzt ist in den Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse überhaupt nicht enthalten. Wer es sich leisten kann, geht zum teuren Privatarzt (médico de pago). Das sind wenige.

Weinhandel München, Vinos de Penedès hat gesagt…

Teil 2

Was die Einstellung der Spanier, Politiker wie Bürger, zur Umwelt und deren Schutz anbelangt, so befindet sich Spanien noch im tiefsten Mittelalter. Nach wie vor werden rund 95% der Abwässer der Küstenstädte (Spanien hat mehr als 5.000 Kilometer Küste) ungeklärt ins Mittelmeer und den Atlantik geleitet. Dazu muss man wissen, dass gut 45% der Gesamtbevölkerung Spaniens in sieben Küstenprovinzen leben, also rund 22 Millionen Menschen.


Eine umweltschonende Müllbeseitigung findet praktisch nicht statt. Nach Dubai, den USA, Kanada und Portugal zählt Spanien zu den größten Wasserverschwendern der Welt. Mehr als 30% der Fläche in Spanien ist bereits versteppt und unwiederbringlich auf dem Weg, Wüste zu werden. An der Mittelmeerküste ist das Trinkwasser bereits so knapp, dass das Wasser oft hunderte von Kilometern aus dem Inland geholt werden muss, nur um den Bedarf an der Küste zu decken. Dadurch versteppen im Inland Spaniens weitere große Landstriche.


Nirgendwo in Europa ist die Zahl der Hauseigentümer größer als in Spanien. Über 85% der Spanier besitzen eine Immobilie. In Deutschland sind es nur 42%.Viele Spanier haben sich bei deren Kauf völlig überschuldet. Die Banken gaben während des vergangenen Baubooms unverantwortlicher Weise Kredite an junge Spanier, die diese sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Eine Immobilie wurde auf Anweisung der Bank um 20-30 Prozent überbewertet, damit so angeblich „nur“ 80% des Kaufpreises finanziert werden musste. Kredite mit einer Laufzeit von 45 Jahren waren keine Ausnahme, sondern üblich. Die Höhe der Rückzahlungsquote beträgt oft mehr als 70% des Familieneinkommens. Als kurz darauf die Hypothekenzinsen stiegen, der Bauboom endete und die Arbeitslosigkeit enorm zunahm, wurden die Banken quasi über Nacht zu den größten Immobilieneigentümern in Spanien, weil immer mehr Spanier die Hypothek nicht mehr zahlen konnten.


Erstaunlich ist, dass es Spanien so lange aushält und nicht schon vor Griechenland zahlungsunfähig wurde. Doch was nicht ist..............