21. Mai 2010

Wein Sensorik und Kaffee

Seit meiner frühesten Jugendzeit stand ich mit Abstand und etwas indifferent dem Thema Kaffee gegenüber. Meine geschmacklichen Assoziationen mit dem Getränk waren meistens von bitteren Eindrücken geprägt worden. Ich hegte keine grundsätzlichen Abneigungen gegen den Türkentrank, sondern gab in späteren Jahren eher mehr gedankenlos meine Zustimmung, wenn ich im Rahmen von Einladungen oder nachmittags zum Kuchen. einmal nach einer Tasse Kaffee gefragt worden bin. Schließlich gab es die hervorragende Möglichkeit ihn mit Hilfe von Zucker, Sahne oder Milch, zu einem auch für mich schmackhaften Heißgetränk aufzubereiten. Deshalb musste man sich darum keine große Gedanken machen. Bei seinem Genuss hatte ich auch niemals irgend welche Ambitionen verspürt, verschiedene Varianten des Kaffeegeschmacks überhaupt ausdeuten zu wollen. Meine Eltern sind lange Jahre eingefleischte Kaffeetrinker gewesen, die ihn noch dazu ausschließlich schwarz getrunken haben. Meine gelegentlichen Probierschlucke aus dieser Zeit endeten immer nur mit einer Beurteilung. Bitter!

Der Begriff Sommelier kommt aus dem Französischen und kann mit Mundschenk, bzw. Verkoster oder Vorkoster übersetzt werden. Ursprünglich bezeichnete man so in früheren Jahren einen Weinexperten. Jedoch ist heute der Begriff Sommelier keineswegs mehr nur allein den Wein Fachleuten vorbehalten. Ein solcher Sommelier für Kaffee hat es problemlos verstanden, meine zurückhaltende Einstellung zum Kaffee grundsätzlich und nachhaltig aufzulösen. Michael Gliss und seine Frau Claudia sind die richtigen Personen, wenn es sich um Kaffe und so manch süße Gaumenfreude dazu handelt. Wie Schuppen ist es mir von den Augen gefallen als ich selber merkte, dass es ja auch bei dem 'Schwarzgetränk' mannigfaltige Unterschiede in Konsistenz und Geschmack auf der Zunge und am Gaumen gibt. In der Rückschau mag man sich darüber ärgern, dass bisher noch nicht die Bereitschaft vorhanden war, einen Schluck Kaffee wie einen Schluck des guten Weines zu betrachten. Nun gut, lieber spät als gar nicht. Der Mensch wächst mit den Herausforderungen des Lebens! Wer bis jetzt noch nicht hat,.........? Er kann ja trotzdem immer noch! Die Wahrnehmung der Gesamtheit, liegt in der richtigen Deutung ihrer Einzelheiten.

Am 3. Mai kam das Paket mit den Proben hier bei uns in München an, und natürlich direkt einer süßen Versuchung nachgebend haben wir zuerst einmal das Nougat Torrone-Sorelle Nurzia in kleinen Stücken probiert, welches der Lieferung beigelegt war. Über Geschmack läßt sich nicht streiten, darum werde ich auch jetzt dazu keine Geschmacksempfindung beschreiben. Kurz gesagt und bündig: einfach gut und unbeschreiblich! Beziehungsweise auf Neu-Deutsch bärenstark. Versuchen Sie es selber einmal. Die Zubereitung des ersten Kaffees, eines ETHIOPIAN SIDAMO gestaltete sich zu Beginn etwas schwierig, da meine Frau unsere Kaffeemaschine schon vor ein paar Jahren gut aufgeräumt hatte, wie sich jetzt herausstellte. Meine Frage, ob nicht dieses eine Mal doch der Mahlaufsatz der Braun Küchenmaschine benutzt werden solle oder eventuell die alte Handmühle vom Fensterbrett, wurde lediglich mit einem sehr abfälligen Seitenblick und wissenden Kopfnicken kommentiert. Da schweigt man stille und versucht sich in Geduld zu üben?! Frauen räumen eigentlich immer zu/gut auf? Die elektrische Kaffeemühle trat aber doch am nächsten Tag aus dem Nirvana der veilfältigen weiblichen Möglichkeiten einer häuslichen Ordnung wieder zu Tage. Sie hatte sie wirklich gut weggeräumt. Freudig begab ich mich in die Küche und legte los. So ein Kaffeemaschinchen ist wesentlich handlicher als ein Aufsatz für die schwere Küchenmaschine.

ETHIOPIAN SIDAMO davon hatte ich Kaffee-Banause natürlich noch nie gehört. Das Aroma der geöffneten Verpackung breitete sich in unserer Küche aus. Ein paar Bohnen hüpften in der Küche herum, sie waren mir beim Einfüllen in die Maschine heruntergefallen. Jetzt wurden sie um weitere mißbilligende weibliche Blicke nicht erneut konfrontieren zu müssen, schellstens von Hand wieder aufgehoben. Die Kaffeemaschine blubberte, "müßte ja mal wieder", rief meine Frau aus dem Wohnzimmer, "entkalkt werden, Chefin" gab ich zurück. Dann war der Kaffe endlich fertig. Der Duft war schon unbeschreiblich. Der erste Schluck, natürlich mit Büchsenmilch und Zucker, ???? ------------ wow! Schnell nachgeschmeckt, noch besser. Wie bei einem fremden Wein trinkt man sich langsam an die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen heran. Die Sensibilität entwickelt sich schrittweise mit. Die subjektive Wahrnehmung verfeinert sich mit jedem weiteren Schluck. Ich schmeckte Bitteraromen in den unterschiedlichsten Nuancen. Nichts aufdringliches, nur angenehmes, deutliches. Eine Krönung stellten weitere Schlucke dieses Kaffees mit den letzten Stücken des Nougats dar. Magenfreundlich zeigte er sich auch. Was will man mehr? In sich rund, vielfältig und feine Bitteraromen schmeckte ich. Der Nachgeschmack von Nougat verflüchtigte sich langsam und die Bitteraromen wurden wieder etwas prägnanter, ohne aufdringlich dabei zu werden. jetzt war die erste Tasse leer. Fazit, ein Spitzenprodukt!

Sie wollen Geschmacksdeutungen hören? Nein! Das empfindet jeder Mensche anders. Man kann es nur selbst probieren. Geschmacksbeschreibungen sind in letzter Konsequenz zum Scheitern verurteilt, wenn es um die wahren Feinheiten geht. Fein süß oder fein herb läßt sich noch beschreiben und bleibt somit für einen Außenstehenden ansatzweise vorstellbar. Subtilere Abgrenzungen kann man nicht mehr beschreiben, nicht bei Kaffee, nicht bei Wein. Der Sommelier kann bei der Verkostung ein wesentlich breiteres Geschmacksspektrum aktivieren, als ein normaler Mensch. Deshalb ist er prädestiniert Geschmacksrichtungen dahin gehend deuten zu können, welcher Kaffee oder Wein dem Menschen schmecken kann. Ein guter Sommelier für Kaffee kann seinem Kaffeeröster ganz genau sagen, wie die Bohnen zu behandeln sind, damit das Aroma beim Rösten erzeugt wird, welches er sich vorstellt. Eine wunderbare Gabe solches zu können. Und man unterscheide genau zwischen den Begriffen Kaffeetrinker, Kaffeeschmecker und Kaffee-Sommelier!

Wer sich in Kaffeeangelegenheiten beraten lassen möchte, der ist beim Gliss Caffee Contor in Köln gut aufgehoben. Der ETHIOPIAN SIDAMO ist inzwischen leider alle. Ihn werde ich beim nächsten Mal auch ohne jegliche Zusätze wie Zucker oder Milch probieren. Der reine Geschmack ist unverzichtbar für eine umfassende Beurteilung. Wenn wir den SANTOS BRASIL und den Espresso getestet haben, werde ich weiter berichten.


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1 Kommentar:

Foodfreak hat gesagt…

Santos mag ich ganz gern, das ist so ein... hm angenehmer Alltagskaffee. Meine persönlichen Favoriten sind allerdings Kenya AA+ (von einem lokalen Röster hier in HH), und der beste (und auch zugegebenermassen teuerste) Kaffee meines Lebens kam direkt vom Bio-Erzeuger in Kona, Hawaii. Ich glaube ich werde mir mal wieder zwei Pfund dieses tollen Kaffees gönnen...